Gestern war der zweite Tag, und der erste von fünf, an dem Stierkämpfe stattfinden würden. Schonmal vorab zwei Dinge, hier in Lateinamerika gehören Stierkämpfe zur Tradition und sind sehr verbreitet, aber anders als in Spanien wird der Stier hier nicht getötet, es sei deswegen ja alle garkein Problem. Wie ich als Deutsche, die mit diesem Teil spanisch/lateinamerikanischer Kultur bisher so gut wie garnicht in Berührung gekommen ist, das Ganze wahrgenommen habe, dazu gleich mehr.
Wir waren schon einmal kurz früher im Laufe des Tages mit zwei Autos hingefahren, um mit dem einen einen guten Platz direkt an der Abzäunung zu reservieren, so dass wir jetzt ganz entspannt eins parken konnten, und uns dann aufs Dach des andere Autos setzten konnten. René hat uns noch allen eine Spezialität von hier geschenkt, ich habe leider den Namen vergessen. Aber basically war es zerraspeltes Eis mit Blaubeersirup oder so, was geschmolzen ist, so dass man das langsam mit nem Strohhalm trinken konnte. War echt lecker!
Die Stimmung war echt super, wir saßen auf dem Auto, haben das Zeug getrunken, überall waren Cowboys auf ihren Pferden und dazu gabs typische panamische Festival-Live-Musik. Ich hatte echt Spaß.
Hier lernen die Kinder erst reiten und dann laufen... |
In der Mitte des abgezäunten Quadrats stand derweil die ganze Zeit ein Stier rum, der ab und zu von den Hunden angebellt wurde. Alles augenscheinlich ganz unspektakulär, wenn man mal die laute Musik und die Tatsache, dass er von seiner Herde isoliert war, außen vor lässt.
Irgendwann gings dann los, zwei junge Männer, ungefähr mein Alter, einer mit ne roten, der andere mit ner grauen Plane, fingen an den Stier zu umkreisen, und immer mal wieder mit der Plane auf den Boden zu schlagen, was ihn allerdings nicht weiter zu stören schien. Dabei fiel mir allerdings ein kleines Detail auf, welches ich bei allen anderen drei Stieren danach ebenfalls beobachtet habe; die Tiere urinierten fast permanent. Wir kennen alle das Sprichwort "Sich vor Angst in die Hosen machen"? Ich weiß, Stiere tragen weder Hosen, noch bin ich in derem Pipimach-Verhalten sonderlich bewandert, aber ich habe die gesamte darauf folgende Zeit diesen Spruch im Hinterkopf gehabt...
Da der Stier allerdings keine wirklichen Anstalten zum Angriff machte, auch nachdem der eine Junge ihn ein paar Mal direkt mit der LKW-Plane auf den Kopf, direkt zwischen die Augen geschlagen hatte, kam nach einigen Minuten ein weiterer Mann, bewaffnet mit einem Lasso, dazu. Ein, zwei, drei, hepp... der Typ hatte es echt drauf (siehe Video) und hat den Stier direkt gefangen. Dieser stand also da, unbeweglich alleine in der Mitte, während der Typ das Lasso festgezogen hat. Und fester, und fester.. bis der toro plötzlich aufgesprungen ist und in eine Ecke gerannt ist. Zum Glück war das die Ecke mit dem Ausgang für die Stiere, eine super schmale 1,5 Meter lange abschüssige Holzrampe, die etwas einen halben Meter über dem Boden im abgesperrten Bereich endete und auf der anderen Seite auf einen Pickup führte, der ebenfalls nach Oben und zur Seite hin abgesperrt war und in dem sich die anderen drei Stiere befanden. Ich war erleichtert, für diesen Stier hatte die ganze Prozedur nach 5 min ihr Ende gefunden.
"Garantiert Bio" |
Dann wurde der nächste Stier hinaus gezwungen (mit einem Stab, der vorne Stromstöße abgibt), ein junges Tier, der hatte noch nichtmal Hörner und stand am Anfang verängstigt in der Ecke beim Ausgang. Kann ich garnicht verstehen, ist doch schön hier, haben doch alle ihren Spaß.
Ein paar Schläge mit und ohne Plane, auf und neben den Stier, sowie fliegenden Bierdosen, ebenfalls auf und neben den Stier, abhängig vom Pegel einer Individuen der achso kultivierten Art Homo Sapiens, und ruckartigem (und wirklich, wirklich dollem) Ziehen und (anschließendem schnellen Wegrennen) am Schwanz des Tieres, hat er sich dann doch bewegt. Dann die selbe Prozedur wie zuvor, dieser Stier hatte nur das Pech, dass die Klappe zum Ausgang länger zu gemacht wurde.
Dann kam der dritte Stier. Ein schwarzes Tier, mit größeren Hörnern und deutlich aggressiver als seine Vorgänger, der sich so stark gegen die Absperrung geworfen hat, dass das gesamte Gitter gewackelt hat.
Ich weiß nicht, ob eben diese Tatsache die Toreros dazu erwogen hat diesmal einen Schritt weiter zu gehen, oder ob es Zufall war, jedenfalls hat Lasso-Mänes irgendwie geschafft den Stier mit dem Kopf an der Absperrung zu binden, so dass sich dieser nicht mehr bewegen konnte. Ich habe erst nicht verstanden, was dann passierte, es dauerte einige Minuten, aber irgendwann sagte Claudio zu mir ich sollte filmen, und das war der Moment, in dem ich kapierte was die Männer dort vorbereitet hatten; dem Stier war ein Seil um Rücken und Bauch gebunden worden und ein Junge war gerade dabei sich auf den Stier raufzusetzen. Als das Tier daraufhin mit den Hinterbeinen einknickte, wurde es freundlich aber bestimmt dazu aufgefordert, dieses doch bitte zu unterlassen. Naja, mehr oder weniger.
Dann wurde der Kopf abgebunden, Hacken rin und los gings. Der Junge ist nach 3 Sekunden runter gefallen.
Aber wie wir wissen will (ohho, eine Alliteration,) das Volk Brot und Spiele, und das panamaische Volk will eben Bier und Stiere. Also das ganze nochmal, Kopf abbinden, Testosteron gesteuerten 18-Jährigen rauf und dann immer gib ihm. Und der Typ hat, das kann man, wenn man die Umstände außer Acht lässt, keine schlechte Figur gemacht. Aber seht selbst...
Naja, irgendwann hat auch dieser Stier den Ausweg gefunden. Der letzte wurde, Pech für ihn, dass er als letzter dran war, nochmal besonders freundlich behandelt. Wer weiß, schönen Frauen wirft man aus Zuneigung Rosen auf die Bühne, vielleicht wirft man hier schönen Stieren aus dem selben Grund auch einfach leere Bierdosen hin. Und die Stromschläge sind eigentlich Funken der Liebe.
Eine interessante Erfahrung war es auf jeden Fall, auch wenn keiner mein Mitleid mit den Tieren verstehen konnte; "Wieso? Denen passiert doch nichts, wir töten sie ja nicht.".
Ich habe überlegt, ob es in Deutschland eine vergleichbare Tradition gibt, aber mir ist nichts eingefallen. Aber lasst es mich gerne wissen, wenn ihr etwas kennt, das würde mich wirklich sehr interessieren.
Wir sind jedenfalls noch durchs Dorf geschlendert, ich habe mal kurz in die Messe reingeguckt und dann sind wir nach Hause gefahren, wo ich Zeugin einer wichtigen Diskussion zwischen Claudio, seiner Mutter und Chely werden durfte; es ging um Claudios Zukunft. Seine Mutter will, dass er in einer andern Stadt estudios macht und Englisch lernt, er will mit nem Freund ne Ziegenfarm hier in Las Lajas aufbauen, aber so wirklich wissen was er will tut er auch nicht. Inhaltlich will ich garnicht weiter ins Thema gehen, aber ich fand es interessant die selben Gedanken und Diskussionen, die Freunde bei mir in Deutschland haben, hier in diesem anderen Umfeld mitzuerleben.
Claudio ist jetzt jedenfalls bis Montag in Panamá bei seiner Cousine, die dort studiert, um mal mit ihr zu reden.
Was mich betrifft, ich hab heute den ganzen Tag vorm Bildschirm verbracht und ich hasse mich dafür. Und dass ich deswegen rumheule und nicht es nicht einfach 'schaffe' den Laptop zuzuklappen finde ich noch erbärmlicher. Es ist nicht so, dass ich nichts anderes mache. Ich ergreife jede Gelegenheit, die sich mir bietet, um hier irgendwas zu tun, was nichts mit Bildschirmen zu tun hat. Ich mache jeden morgen mindestens eine Dreiviertelstunde Sport und ich habe mir vorgenommen, jeden Tag 20 neue Vokabeln zu lernen (mit den Songs von Enrique Iglesias. Kenn schon jetzt mehr unterschiedliche Wörter für Herz-Schmerzen als im Deutschen und kann schon 3 Lieder mitsingen). Und wenn Chely kocht biete ich immer meine Hilfe an, was sie immer ausschlägt, und schaue dann meistens trotzdem bei ihr zu, um etwas kochen zu lernen.
Ich will nicht so viel Zeit vor der Glotze verbringen, wirklich nicht, aber ich mache es trotzdem. In meinem spanischen Buch bin ich nach wie vor bei Kapitel sechs. Und warum das ganze? Weil Internet einfach ist. Das einfachste Mittel, sich die Zeit zu vertreiben. Dabei sind die Sachen die ich mache eigentlich garnicht so unnötig. Ich brauche das Netz ja tatsächlich. Zum Arbeiten für lotuyo, Blog schreiben, Mails beantworten... . Aber dann gibts da immer wieder Momente in denen ich abschweife und am Ende lande ich immer irgendwie bei Youtube, schaue mir zum Beispiel die heute-Show an oder so. Und das, obwohl ich doch eigentlich in Panama sein will...
Ich weiß nicht, ob es nachvollziehbar ist, aber es fällt mir wirklich schwer das nicht zu tun. Und das zuzugeben ist mir etwas peinlich. Ich, die ich eigentlich ein Macher-Mensch bin, und nicht wie ein Schluck Wasser in der Ecke rumhänge, habe hier echt meine Probleme damit. In diesem Dorf im Nirgendwo, in dem es von 11:00 bist 16:00 zu heiß für alles ist.
Oder ist das alle garnicht soooo schlimm, und es ist ok, Silke kommt ja bald wieder, dann wird richtig gearbeitet und so lange ist es halt noch so, ich kann ja versuchen wirklich sinnvolle Sachen zu machen, Reiseorte für Costa Rica rauszusuchen und wenn dann Youtube-Videos auf Spanisch (aber dann taucht am Bildshirmrand ja doch wieder ein Link zu etwas Deutschem oder Englischen auf und dann klick, klick, klick...).
Eure Meinung dazu würde mich wirklich wirklich interessieren. Oder habt ihr noch ein paar Tipps für mich? Von Einigen habe ich per Mail ja schon echt liebe Vorschläge erhalten...
Ich wünsche euch einen schönen Tag und hab euch lieb!
❤ Charlie
+++Kleiner Nachtrag: Oder bin ich zu ungeduldig? Ich habe nochmal nachgedacht, die letzten Tage hatte ich ja Action und morgen Abend solls wieder auf ne fiesta gehen. Ich weiß auch nicht was ich denken soll...
Zu vergleichbaren Traditionen gehört wohl auch der Hahnenkampf, welcher - laut N24 - auch heute noch in Köllner Schrebergärten praktiziert wird.
AntwortenLöschenHahnenkampf gabs hier auch, aber man hätte 7$ Eintritt zahlen müssen. Aber danke dir :* <3
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