Mittwoch, 19. April 2017

GUATEMALA - Antigua

Ich liege in einem sehr gemütlichen Bett, bin satt und nachdem ich mir gleich die Zähne geputzt habe, werde ich hoffentlich ganz schnell einschlafen.
Am Samstag Abend habe ich Flores verlassen, um mich über Nacht auf den weiten Weg nach Antigua zu machen (ca. 520 km / 12h).
Mein Bus sollte planmäßig um 21:15 abfahren. Ich war um 20:35 da. Um 21:00 bemerkte ich, dass etwas fehlte; ich hatte meine kleine Ukulele im Hostel liegen lassen. Und das 1 Woche bevor ich zurück fliege. Ist ja nicht so, dass ich die seit 4 Monaten mit mir herumtrage...
Die Zeit reichte leider nicht mehr, um zurück zum Hostel zu fahren​ und ich musste diesen Bus wirklich bekommen. Also das einzige menschenmögliche in der Situation gemacht; Handy geliehen, Nummer von Stempel entziffert und mein Anliegen geschlagene 15 min durchs Telefon gebrüllt. Ob sie mich am anderen Ende der Leitung verstanden hat? Ich weiß es nicht, aber ich habe meine Handynummer 2 Mal auf Spanisch und einmal auf Englisch durchgebrüllt, dann wurde ich praktisch schon gewaltsam in den Bus gedrückt, hab meinen Sitz nach hinten gelegt und war bis zum nächsten Morgen 04:30 weg. Na gut, in dem Rahmen in dem man in einem alten lauten Reisebus mit flackernden Licht und extrem motivierter Klimaanlage eben schlafen kann...
In Guatemala angekommen musste ich noch 1,5h bis zum Antigua-Shuttle überbrücken. Mein noch nicht ganz zu waches Gehirn kam, nachdem ich ein bisschen gelesen hatte, irgendwann auf die Idee gegen 05:00 morgens im Hostel anzurufen und zu fragen was denn jetzt mit meiner Ukulele sei. Ist einer rangegangen? Drei Mal dürft ihr raten. Irgendwann kam jedenfalls der Shuttle und der Stand da erstmal. Nach und nach tröpfelten mehr und mehr Leute herein, und während fast alle anderen Shuttles gegen 07:00 schon weg waren, hieß es, wir müssten noch auf zwei Jungs warten. Zum Glück waren wir ne lustige Crew im Bus und hatten unsern Spaß. Aber irgendwann wollten dann doch alle auch Mal endlich los. War ja schließlich schon 08:00. Und im selben Moment sagte meine Sitznachbarin plötzlich, "unser Fahrer kommt mit Zwiebeln Mädels zurück, die eine hat eine Uku...". Den Rest hat keiner mehr gehört, weil ich schon Hals über Kopf aus dem Bus gestürzt bin, ihr meine Ukulele aus der Hand gerissen und sir umarmt habe (mhhhm bestimmt schon für sie, verschwitzt und ungewaschen nach ner Nacht im Bus).
Für solche Dinge liebe ich Mittelamerika einfach. Alles geht immer so. Irgendwie.
Dann gings auch schon los nach Antigua. Im Hostel habe ich direkt das Bett, den Shuttle zum Flughafen und die Tour auf den Vulkan Acatenango, inkl Übernachtung, gezahlt. Und hatte auf einmal nur noch 125 Quetzales übrig. Das entspricht ca 17$. Ist selbst für Guatemala nicht so viel, insbesondere weil die Hostels hier in der Regel keine Küche haben (meins hat aber dann doch einen zweiplättrigen Gaskocher, danke Gott).
Also bin ich erstmal zum Markt gelaufen, habe mich ins tiefste Antigua gestürzt, fast 1,5 zwischen ungekühltem Fisch und Fleisch versucht, den richtigen Preis für Obst und Gemüse herauszufinden, nein, ich bin zwar Touristin aber ich zahle trotzdem keine Touri-Preise, nur manchmal, und bin schließlich mit Brokkoli, ner dicken Möhre, einer Zwiebel und zehn Bananen aus der Unterwelt des guatamalischen Lebensmittel-Markts herausgekrochen. Und das ganze für 9 Quetzales, also ca. 1,20$.
Okay und einer Papaya für 10 Quetzales aber die war echt groß und ich liebe Papaya hier.
Nur das Wasser hat dann doch wieder etwas gekostet, wobei man bei knapp über nem Dollar für 6,5 L jetzt aus nicht zu sehr meckern sollte. Und ich habe gelernt, gibt nur noch gutes Plastikflaschenwasser für mich.
Und was man aus so nem Drittel Brokkoli, ner halben Karotte, nem Drittel Zwiebel und 80g Spaghetti so alles schönes zum Abendessen zaubern kann seht ihr hier.


Dann gings auch relativ fix ins Bett. Ich war noch sehr müde von der Busnacht und morgen sollte es ja auch morgens schon wieder auf den Vulkan gehen...
Also schnell ausgecheckt, den kleinen Rucksack gepackt, den großen verstaut und dann hops. Bis es kurz vorm einsteigen hieß, habt ihr alle 50 Quetzales für den Eintritt dabei...
Da waren auf einmal nur noch 35 Quetzales (5$) für die restlichen 3,5 Tage...
Wieso ich nicht einfach mehr Geld abheben kann? Geht schon, aber der ATM verschlingt pro Abbuchung aus dem Ausland ein kleines Vermögen und das für läpprige 100 Quetzales, die ich auch noch alle ausgeben muss? Ne danke, dann schnorre ich mich lieber durch 'die Welt wide wide wie sie mir gefällt...'.
Aber bei der Vulkantour war ja zum Glück ein Lunchpaket, Tütensuppe, 2 "Sandwiches" und ein süßer Kuchen inbegriffen. Als Mittag-, Abendessen und Frühstück. Gut dass ich meine Ernährung schon umgestellt habe, ist also genug für mich, Pech für alle anderen. Wobei die meisten etwas dabei hatten und ich auch, wie ich zugeben muss. 3 Babybananen und 3 alte Tomaten aus Flores. Und Wasser.
Punkt 12:00 gings dann mit dem Aufstieg los. Ich in Jeans, einem Top, nem extra T-Shirt, Sweatshirt und Regenjacke in peto. Apparently solls da Oben von Zeit zu Zeit bissl kalt sein, im Januar sind 6 Menschen erfroren.


Und während sich die anderen meiner Gruppe noch mit Wanderstöckern und garantiert echten Hugo Boss/Abercrombie Handschuhen (jaaaa richtig gehört. Ist ne ganz exklusive Kooperation, leider nur in Guatemala erhältlich) eingedeckt haben, hab ich daneben geschwitzt und mir gedacht, wie ich die nächsten 6 Stunden lang Klamotten, Futter, über 5l Wasser, Isomatte und Schlafsack in meinem eher nicht so dafür ausgelegten Eastpak Rucksäckchen auf nen blöden Vulkan hochtragen sollte. Wobei ich noch Glück hatte. Die anderen hatten alle richtige Backpacker-Rucksäcke und durften noch die Zelte schleppen. Plus das Essen was ich mir ja noch bei denen abschnorren wollte...
Und dann gings wirklich los. Was soll ich sagen, anstrengend, zum Glück mit vielen Pausen, aber ich war echt noch eine der fitteren (und die mit dem leichtesten Rucksack jajaja ich weiß sry) und wir haben knapp 5h gebraucht.


Die Guides schaffen den Aufstieg im Übrigen in 2h20. Inkl Gepäck. Just saying. Ganz zu schweigen von den Pferden, die reichen Gringos das Gepäck den Vulkan rauftragen.
Jetzt aber Mal zum eigentlichen. Das besondere an dieser Vulkan Tour ist, dass man vom eigenen Vulkan einen anderen sehr sehr aktiven Vulkan bei Lava Spucke zugucken kann. Eigentlich. Als wir beim Camp ankamen, inkl Feuerholz, was wir auf dem Weg noch gesammelt haben, fings nämlich an zu regnen. Und ich schwöre, ich habe noch nie eine Gruppe von 17 Personen 5 Zelte so schnell aufbauen sehen.




Und mich so schnell unterkühlen sehen. Ich fühlte mich echt miserabel und war jetzt nicht eher nur ein Essens-, sondern auch ein Klamotten-Schnorrer.


Und auch wenn es generell zu bewölkt war, den Vulkan klar zu sehen, hatten wir trotzdem einen super Abend, inkl zwei Runden Werwolf (Jack und ich haben als Verliebte eine gewonnen hehehe) und kotzekliger Tütensuppe. Und dann, als ein Teil der Gruppe schon in den Zelten lag, spieh er doch Feuer. Eine große Fontäne, die in den Himmel stieg, 4 Sekunden verharte und sich dann in schwarzen Rauch auflöste. Ich habe jetzt einmal in meinem Leben einen Vulkan beim Ausbruch gesehen und auch wenn der Moment nur einige Sekunden kurz war, werde ich das bestimmt nicht vergessen.

Das ist der Vulkan bei Tag...

Die Nacht danach leider auch nicht. Hätte ich mich nicht in meinem Schlafsack an einen nach Kipoe und Schweiß stinkenden Jack rangekuschelt (sry Mäxchen, war wirklich nur aus Survival Gründen), wäre ich bestimmt die siebte Erforene dieses Jahr gewesen. Ostsee im April ist wärmer.
Ey aber think positive. Als dann um 3:30 der Wecker klingelte war das Aufstehen garnicht so schwer. Draußen wars Dank Bewegung nämlich tatsächlich wärmer als im Zelt.
Allerdings stand auf der Kippe, ob wir wirklich noch die 1,5h auf den Krater klettern sollten, da es leider gewitterte. Aber letztendlich haben wiers doch gemacht und immerhin 11 aus der Gruppe sind mitgelaufen. Der Aufstieg war zwar etwas anstrengend, aber mir war garnicht kalt, ich war ja die ganze Zeit in Bewegung.

Wenn ihr die Bildschirmhelligkeit ganz hoch schaltet erkennt ihr mich

Auch die ersten 5min auf der Spitze gingen noch, aber dann zollten Müdigkeit, Schweiß, Wind und eine Umgebungstemperatur von 2°C ihren Tribut. Papas Mail vom Vortag "genieß die letzten tage noch, vor allem die wärme!" fiel mir wieder ein, als ich mit Tränen in den Augen zusammengekauert am Hang saß, überzeugt davon, dass meine plötzlich eingeschrumpelten, eisigen Finger für immer in der Vulkanasche des Acatenangos in Guatemala stecken bleiben müssten. Tag und Nacht den Launen der Natur ausgesetzt, für immer mit Blick auf den ausbrechenden Vulkan. Vierundzwanzig Stunden. 7 Tage die Woche. Meine armen Finger.


Ich muss wirklich schlimm ausgesehen haben, ich durfte nämlich eine andere Gruppe beim Abstieg begleiten. Und was für eine Gruppe, ob die davor alle nochmal ne Line gezogen haben? Super gut gelaunt, Energie bis zum Umfallen, gings in hohen Bögen lachend und kreischen die steile Vulkanasche runter. Man stelle sich zugedröhnte Kängurus, gefangen im Körper von Menschen auf nem Vulkanasche-Hang in Mittelamerika vor. Sogar ich hatte ein bisschen meinen Spaß, obwohl ich nicht mehr weiß woher ich die Energie dafür hergenommen habe...
Jedenfalls waren wir dank der Känguru-Spring-Taktik sehr viel schneller wieder unten, als gedacht. Ich habe mich erstmal quasi übers Feuer geschmissen und Brathähnchen gespielt, bis die Wärme ganz ganz langsam und allmählich wieder bis in die letzten Glieder meines Körpers zurückkehrte.

Selbst die Pferde können nicht mehr...

Dann noch fix Frühstücken, Zelte zusammenpacken und ab nach Unten. Das ging auch wieder echt viel schneller. Nur die uns entgegenkommenden Gruppen taten mir leid.


Ich bin mittlerweile wieder im Hostel. Es ist Viertel nach 9 und meine Augen brennen schon, aber ich wollte unbedingt noch diesen Post schreiben.
Mein ganzer Körper schmerzt, aber vor allem meinem linken Knie hat der Abstieg nicht so gut getan und ich habe einen ganz schön großen Druck-Zieh-Schmerz in der Lunge.
Donnerstag Morgen geht mein Flug nach San Jose. Ab da habe ich noch 3 Tage Zeit bis zum 22. abends in Panama anzukommen. Und zwei Tage später gehts dann schon nach Hause. Krass wie schnell dieser Tag jetzt doch näher rückt. Ab heute kann ich mich übrigens auch offiziell bei Unis bewerben. Aber das muss jetzt noch ne Woche warten, meine kleine feine, brutale Odyssee hat jetzt erstmal Priorität.
Ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal zum Schreiben komme. Vielleicht ist das nächste Mal auch das letzte Mal. Drückt mir die Daumen, das alles gut klappt, Flug, Bus und Grenze. Ich bin mittlerweile etwas paranoid geworden.
❤Charlie

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